068 Wie kannst du Selbstbewusstsein stärken bei deinen Klienten?
Als ich vor ca. 10 Jahren begann, Seminare und Fortbildungen zu geben, habe ich es mir zumindest zugetraut. Und einfach gemacht. Am Ende bekam ich oft Feedback wie: „Vielen Dank, das war so besonders. Du bist auf alle eingegangen, hast uns alle mitgenommen.“ Oder „Du teilst so großzügig dein Wissen und deine Erfahrung, das ist nicht selbstverständlich.“ Oder „Deine achtsame wertschätzende Art hat mich sehr bereichert.“ Oder „Deine einzigartige Verbindung von Humor mit ernsten Themen hat mich beeindruckt.“ „Die Leichtigkeit, mit der du uns angeleitet hast …“ Usw. usf. Aber weisst du was? Das ist bei mir nicht durchgedrungen! Ich habe mich schon gefreut, dachte aber: „Naja, das sagen sie allen Seminarleitern.“ Erst als sich die Feedbacks regelmäßig wiederholten und ich auch erzählt bekam, wie es teilweise anderenorts abläuft, begann ich es zu glauben, kam es langsam in meinem inneren an. Dass meine Art und Weise besonders und einzigartig ist. Das hat mein Selbst-Bewusstsein gestärkt und meine Selbst-Sicherheit im Auftreten. Ich hätte mich vor Jahren nicht als Mensch mit mangelndem Selbstbewusstsein gesehen. Dennoch gab es viel Luft nach oben. Und das ist nicht nur bei mir so, vielleicht auch bei dir und sehr oft auch bei unseren Klienten. Selbstbewusstsein stärken ist ein Thema, das sich im Rahmen von Coaching und Ausbildung durchzieht wie ein roter Faden…
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Shownotes zu Folge 068
Wie schulst du die richtige Haltung, deinen Fokus und deine Fragetechnik, um das Selbstbewusstsein deiner Klienten praktisch zu stärken? Infos zu den nächsten Fortbildungen findest du hier.
Skript: Das Selbstbewusstsein stärken bei deinen Klienten
Wenn Klienten zu uns mit einem Thema kommen, sehen sie selbst und wir aufgrund ihrer Verstrickung mit ihrer Herausforderung oft kaum noch ihr Selbstwert-Gefühl, Selbst-Bewusstsein, Selbstvertrauen. Dabei ist es vielleicht in anderen Bereichen durchaus da. Wer Beispielsweise wg. Mobbing am Arbeitsplatz kommt, hat vielleicht gegenüber von Kunden oder in der Familie durchaus ein gutes Selbstwert-Gefühl, jedoch nicht gegenüber bestimmten Kollegen oder vielleicht sogar nur gegenüber einer Kollegin.
Bei manchen Menschen ist das Selbstwert-Gefühl aufgrund ihrer Biografie in mehreren Lebensbereichen gering ausgeprägt. Das ist für uns dann eine größere Herausforderung.
Wie dem auch sei, die Frage heute ist, wie kannst du in Coaching und Beratung das Selbstbewusstsein stärken bei deinen Klienten?
Dazu schauen wir uns heute drei Bereiche an:
- Was ist Selbstbewusstsein?
- Wie kannst du eine unterstützende Haltung in deiner Begleitung als Coach oder Berater einnehmen?
- Einige Beispiele für unterstützende Fragen und Kommentare im Coaching und Beratung.
1. Was ist Selbstbewusstsein?
Da gibt es Worte, die eng miteinander verknüpft sind:
- Selbst-Bewusstsein
- Selbst-Vertrauen
- Selbst-Wert-Gefühl
- Selbst-Sicherheit
- Selbst-Wirksamkeit.
Ich definiere – jenseits von Wikipedia und Co. – Selbsbewusstsein als „sich seiner selbst bewusst sein“. Damit meine ich seiner Qualitäten, Fähigkeiten, Stärken, Möglichkeiten sowie einem inneren Kern, über den wir mit der Schöpfung verbunden sind. Selbstbewusstsein hat insofern durchaus etwas mit Verbindung zu tun und mit dem Bewusstsein, was mich einzigartig und besonders ausmacht.
Wenn das da ist, ist auch Selbst-Vertrauen da, also der Mut, sich selbst etwas zuzutrauen oder sich zu trauen, etwas zu tun.
Selbstbewusstsein ist verknüpft mit Gedanken wie: Ich bin wertvoll, Ich bin es wert zu sein, geliebt zu werden, einen Platz zu haben, ich verdiene respektvoll behandelt zu werden, ich bin es wert, Grenzen ziehen zu dürfen, ich darf Fehler machen und daraus lernen… usw. Durch das mit dem Selbstbewusstsein verknüpfte Selbstvertrauen werden die wichtigen Gedanken getragen: Ich habe Wahlmöglichkeiten, ich kann etwas tun. Selbstbewusstsein ist auch mit „Empowerment“ verknüpft – Selbstermächtigung. Dem Gedanken und Gefühl, handlungsfähig zu sein.
Die Gefühle, die mit Selbstbewusstsein verknüpft sind, sind vor allem Selbstsicherheit, Vertrauen, Zuversicht, Optimismus, Wertschätzung, Liebe (für sich und andere).
Wenn das Selbstbewusstsein zu gering ausgeprägt ist, herrschen in dem Bereich, den es betrifft, andere Gedanken vor: Ich bin abhängig, Andere bestimmen mein Leben und mein Schicksal, es gibt keinen Ausweg, ich bin das Opfer, ich bin unfähig, hilflos, kann nichts tun…
Die damit verbundenen Gefühle sind Angst, Schuld, Scham, Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung etc.
Das sind also die Erkennungsmerkmale von Selbstbewusstsein und mangelndem Selbstbewusstsein. Und wie du siehst, kann es durchaus sein, dass jemand grundsätzlich ein gutes Selbstbewusstsein hat, jedoch in dem Thema, mit der KlientIn kommt, eben nicht. Also im Beruf ist es super, privat auch, jedoch aktuell mit der Tochter in der Pubertät sinkt das Selbstbewusstsein gegen Null.
Egal ob nur in ein „kleiner“ Teilbereich oder ob mehrere Bereiche gerade mit wenig Selbstbewusstsein ausgestattet sind bei KlientIn. Jetzt geht es darum:
2. Wie kommst du selbst als Coach oder BeraterIn in eine unterstützende Haltung, die das Selbstbewusstsein deines Gegenübers stärkt?
Meinst du, du erreichst das, wenn du denkst: Ohje, die Frau hat wenig Selbstvertrauen. Achduje, das sind ja enorm viele Problem. Pffffft.
Oder eher, wenn du denkst: Wow, trotz der vielen Herausforderungen sitzt sie da bei mir und will ihre Dinge angehen. Obwohl ihr so viele Widerwärtigkeiten wiederfahren sind, steht sie jeden Morgen auf und geht zur Arbeit und gibt dort ihr bestes.
Die ganz große Gefahr ist in Coaching und Beratung oft, sich mit von der Problemwelle in den Problemstrudel hineinziehen zu lassen. Und damit die nützliche Sicht von außen zu verlieren.
Wie aber ist eine Sicht von außen nützlich?
Wenn sie das Positive erkennt und ausspricht! Wenn sie verborgene Fähigkeiten, Stärken und Ressourcen sieht oder darauf vertrauend, dass sie irgendwo da sind, in spielerischer Neugier auf Entdeckungsreise gehen möchte mit KlientIn.
Ich kenne eine Dame, deren erster Satz, wenn sie jemanden sieht, ist so etwas in der Art wie: „Du hast da einen Fleck auf der Wange.“ „Deine Bluse hängt halb aus der Hose.“ Bevor sie Hallo gesagt hat. Wo ist der Fokus? Auf dem Positiven? Ein banales Beispiel für eine wenig hilfreiche Haltung zumindest für Coaching und Beratung.
Dennoch verhalten wir uns oft ganz ähnlich. Sehen vor Problemen oder Sätzen der Hilflosigkeit in Bezug auf ein Thema den richtigen Ansatz nicht mehr: die Stärken, Fähigkeiten etc. Wir urteilen statt in der Neugier-Haltung zu sein.
Folgende Elemente helfen dir in Coaching und Beratung:
- Neugier und Entdeckergeist auf der Suche nach Fähigkeiten, Stärken und Wertschätzendem
- Fähigkeit die Qualitäten von Stärken zu entdecken. Beispiel: Trotz aller Herausforderungen und Verzweiflung rafft sich Klientin jeden Tag zur Arbeit auf und gibt dort ihr Bestes. Aus welcher Quelle schöpft sie dabei?
- Fähigkeit, Schönheit von Bedürfnissen zu sehen und zu würdigen. Auch wenn sie nicht erfüllt werden konnten. Das Bedürfnis nach einer wertschätzenden Beziehung ist wunderschön. Großartig, es zu haben! Das allein zu würdigen, hilft. Es ist zutiefst menschlich dieses Bedürfnis zu haben.
- Fähigkeit zu wertschätzender Haltung. Dabei geht es nicht nur darum zu sagen: Wow, du bist ja so toll. Du bist großartig. Wenn die Person das selbst noch nicht fühlen kann. Sondern wertzuschätzen, was die Person getan hat, wie sie „überlebt“ hat, was sie dazu bewegt hat, nicht aufzugeben (sonst säße sie ja nicht bei dir). Oder auch zu würdigen, dass jemand aufgegeben hat. Dass es nachvollziehbar ist, dass irgendwann die Kraft nicht mehr reicht oder eine Konsequenz gezogen wird. Die Anstrengungen zu würdigen und wertzuschätzen, die bislang gescheitert sind. Auch ein hartes Schicksal zu wertschätzen und zu würdigen. Indem ich nicht gleich Vorschläge mache, wie es anders gehen könnte oder wie man es anders sehen sollte. Sondern einfach: Ja, das ist bestimmt verdammt leidvoll für dich gewesen.
Das arbeitet weiter. Mit dieser inneren Haltung, die du ihr in allem, was du tust zeigst, kannst du ihr/sein Selbstbewusstsein enorm stärken. KlientIn nimmt dadurch indirekt – auf der Metaebene – etwas Wertvolles mit. Auch wenn er/sie wieder im Alltag ist, wird er/sie sich zwischendurch erinnern: Mein Coach hätte es jetzt so gesehen. Oder hätte mich auf jenes aufmerksam gemacht. Bis KlientIn es von innen selbst bemerkt und auch so erlebt. Wie ich in meinem Beispiel vom Eingang von mir selbst erzählt habe. Irgendwann verinnerlicht man das, was Hilfreiches von außen kommt. Und so verinnerlicht KlientIn deine wertschätzende Haltung allmählich mehr und mehr. Dafür sind nicht zuletzt unsere Spiegelneuronen verantwortlich.
Wenn du mehr Praxis dazu mit Kollegen trainieren möchtest, findest du hier mehr Infos zum nächsten Online-Workshop.
Kommen wir jetzt zum dritten Punkt:
3. Unterstützenden non-verbale Signale, Fragen und Kommentare für das Selbstbewusstsein deiner Klienten.
Nonverbal:
- B. Nicken, anerkennender Blick, aufmerksame, interessierte Haltung, Aufhorchen (wenn du etwas Positives erkennst), neugieriger gespannt-freundlicher Blick…
Verbale „Gesten“:
Gerne begleiten mit aha, jaa, super, wow. Das ist vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig auch für KlientIn. Aus meiner Sicht kannst du es jedoch mit vollem Ausdruck aus dem Herzen tun, damit es wirklich ankommt. Natürlich soll es echt sein und nicht gespielt.
Sehr wichtig: wenn dir etwas Positives auffällt, zeige das nonverbal, aber auch indem du es noch einmal verbal hervorhebst. „Wow, du hast trotz der ganzen Schwierigkeiten und dem Stress noch Zeit für dich gefunden!“ Dabei gerne Tonhöhe modulieren. Monoton klingt‘s weniger überzeugend.
Hilfreiche Fragen – hier nur eine kleine Auswahl, um deine Klienten im Selbstbewusstsein zu stärken.
Denn da gibt es so eine Vielzahl an guten Fragen, die hier den Rahmen sprengen würde.
Einige Beispiele:
K: Schilderung des sogenannten Problems…
C: „Ok, das ist ja echte Herausforderung (Anerkennung). Was hast du denn schon alles unternommen?“
K: Jetzt wird eine Aufzählung von Aktivitäten kommen und natürlich, dass es nicht zum Erfolg geführt hat: „Hat ja alles nix gebracht…“.
C: „Wow, die Sache ist dir ja wirklich wichtig. Du hast viel getan, es immer wieder versucht und nicht aufgegeben. Das ist auch wirklich nicht einfach. Deswegen bist du jetzt hier. Du willst es jetzt echt hinbekommen, oder?“ Das hervorheben zu können ist eben auch eine Frage der Haltung: Das Positive im Ringen und in den Bemühungen zu sehen. Und dann auch anzuerkennen, dass es wirklich nicht einfach ist. Damit wertschätzt du die bisherigen Bemühungen und den starken Lösungswillen. Eine Kompetenz!
„Wie kommt es, dass es nicht noch schlimmer ist? Es gibt ja Menschen, die hätten längst aufgegeben. Oder bekommen ihren Alltag nicht mehr bewältigt.“ Auch diese Frage öffnet ein Fenster zu Fähigkeiten und Stärken. „Naja, das muss ja sein. Meine Kinder sind mir halt wichtig. Für sie zu sorgen gibt mir auch selber etwas Kraft. Und wenn ich sehe, wie sie sich entwickeln, bin ich stolz auf sie. Dann denke ich, dass sich die Mühe wirklich lohnt.“
„Also du stehst jeden Tag auf und kümmerst dich um deine Kinder. Schaust, dass sie pünktlich zur Schule kommen usw. Obwohl dir nicht immer danach ist. Wie machst du das?“
K: „Ich weiß nicht, ich mach es einfach. Weil sie mir wichtig sind. Weil ich will, dass sie es guthaben. Dass sie einen guten Beruf lernen und ein schönes Leben haben später.“ „Woher nimmst du die Kraft?“ „Ich nehme es mir einfach vor. Und dann mache ich es. Ich hab halt einen starken Willen.“
C: „Wow“, oder? Dann natürlich die berühmte Frage „Was noch?“ – wenn es um positive Dinge geht.
K: „Naja, wenn sie dann los sind zur Schule, setze ich mich erst Mal mit einer Tasse Kaffee hin und denke einfach nix. Auf den Moment freue ich mich. Ein paar Minuten Zeit für mich, bevor ich zur Arbeit gehe.“
Darüber kannst du wieder deine Anerkennung ausdrücken:
C: „Wow, du gönnst dir ein bisschen Zeit für dich und das gibt dir Kraft. Was für ein wunderbares kleines Ritual du gefunden hast!“
Sicher geht es dann mit „Ja, aber…“ schnell wieder zum Problem. Du musst schon verdammt hartnäckig sein und immer wieder nach den kleinen Ausnahmen fragen oder diese entdecken und hervorheben.
Kannst du dir vorstellen, wie durch diese Art von Gespräch das Selbst-Bewusstsein wächst? Wie du durch deine Fragen, Kommentare und Würdigungen hilfst, dass KlientIn darin selbst immer bewusster und dafür sensibler wird?
Ich finde, das ist eine hohe Kunst diesen Stil durchzuhalten, auch wenn man über Herausforderungen oder sogenannte „Problem“ spricht. Das wichtigste ist, innerlich nicht in die Hose von KlientIn zu steigen und seine/ihre Probleme genauso schlimm und aussichtslos zu finden wie er/sie. So bleibst du Experte in deiner Begleitung – mit dem Blick auf das Hilfreiche, Fähigkeiten und Ressourcen. Und KlientIn bleibt Experte für sein/ihr Leben und findet mit Hilfe der wieder entdeckten Ressourcen Erweiterungsmöglichkeiten, neue Verknüpfungen und Lösungen.
Fazit:
Du unterstützt das Selbstbewusstsein deiner Klienten, wenn
- deine innere Haltung von Wertschätzung und Neugier auf Fähigkeiten, Stärken und Ressourcen geprägt ist.
- deine nonverbalen und verbalen Kommentare wertschätzend, anerkennend und ermutigend sind.
- deine Fragen deiner KlientIn helfen beim Erkunden von Fähigkeiten, Stärken und Ressourcen.
- dein „Nachbohren“ (Was noch?“) und in die Tiefe gehen mehr bei den Stärken und Ressourcen genutzt wird als bei den sogenannten Problemen.
- es dir gelingt, immer wieder den Fokus weg vom Problem hin zur Lösung zu richten. Deinen eigenen und den deiner KlientIn.
Wie unterstützt du deine Klienten zu mehr Selbstbewusstsein? Teile hier gerne deine Rezepte oder was du als besonders hilfreich herausgefunden hast.
Mit kollegialen Grüßen
Kathrin (Stamm)
P.S.: Zu den nächsten Fortbildungen gelangst du hier.