070 Warum ein Ziel fürs Coaching nicht ausreicht

070 Warum EIN Ziel fürs Coaching nicht ausreicht

„Denke groß, erlaube dir ein großes Ziel und eine große Vision. Imaginiere und Affirmiere, was das Zeug hält. Und schon läuft’s bei dir!“ Ist das so? Einige Coaching-Gurus postulieren ähnliche Inhalte. Tja und wenn es nicht klappt, dann war dein Ziel nicht groß genug, deine Affirmationen schlecht oder du warst unfähig regelmäßig zu affirmieren…

Lassen wir das vielleicht einfach mal stehen.

Warum für’s Coaching andere Regeln gelten, zeige ich dir in dieser Folge auf: Warum EIN Ziel fürs Coaching nicht ausreicht.

Hier geht’s zum Podcast-Audio Warum EIN Ziel fürs Coaching nicht ausreicht

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Shownotes zu Folge 070

Die erwähnte Vision des Labels Demeter (Schweiz) von 2011:https://demeter.ch/wp-content/uploads/2016/08/DV-Vision-u-Strategie-Kopie.pdf

Zum Beitrag „Skalierungen im Coaching – eine enorme Hilfe„, in dem Ziele skalieren näher erläutert wird.

Hier findest du die nächsten Kurse.

Skript: Warum ein Coaching Ziel nicht ausreicht.

Was ist der Unterschied zwischen Vision und Ziel?

Das nehmen wir als erstes Mal unter die Lupe. Denn da gerät oft Einiges durcheinander.

In der Wirtschaft gibt es Visionen für ein Unternehmen: wo möchte es auf lange Sicht hin. Was soll anders sein in der Welt, für Kunden und für Mitarbeiter durch das, was das Unternehmen lebt und entwickelt. Mir gefällt die Vision des Labels Demeter (Schweiz) von 2011: https://demeter.ch/wp-content/uploads/2016/08/DV-Vision-u-Strategie-Kopie.pdf

Der erste Teil lautet:

DEMETER-Produkte haben ein positives und weltoffenes Image, getragen von Interesse und Verantwortung für Mensch und Erde.

Die gemeinsame Qualitätsentwicklung aller Beteiligten ist Realität.

70% der Konsumenten kennen das Label DEMETER.

80% der in der Schweiz erzeugten DEMETER-Produkte werden mit dem Label DEMETER verkauft. Der Demeter-Verband gestaltet den Markt aktiv mit. Die Strukturen vom Anbau bis zum Konsumenten und die Preisgestaltung sind für alle Akteure transparent.

(…)

Hier wird ein Zukunfts-Gesamtbild entworfen. Fällt dir an der Art der Formulierung etwas auf? Es wurde in der Gegenwart formuliert, nicht in der Zukunftsform.

Daraus lassen sich mehrere Ziele ableiten.

z. B.:

  • Das Label DEMETER bekannter machen.
  • In der Schweiz den Anteil an in der Schweiz erzeugten DEMETER-Produkte erhöhen.
  • usw.

Für das jeweilige Ziel können dann Strategien entwickelt werden mit klaren Zwischenzielen nach der SMART-Formel (Darauf gehe ich im nächsten Beitrag genauer ein). In der Wirtschaft kann es dann konkrete 5-Jahres-, Jahres-, Quartals-, Monatsziele und vielleicht sogar Wochen- und Tagesziele geben.

Im Business werden also oft aus der Vision als übergeordnetes Zukunftsbild Ziele abgeleitet.

Das können wir nicht immer 1:1 auf „normales“ Coaching übertragen. Zumindest dann nicht, wenn es ein weniger komplexes Thema ist. Vielleicht ein Konflikt mit einer Person oder einer beruflichen Veränderung.

Anders sieht es bei einem komplexen Thema aus. Z. B. wenn eine Mutter Unterstützung wünscht bei einer anstehenden Scheidung, die sie völlig überfordert. Da können wir von dem Vorgehen Vision/Strategie aus der Wirtschaft profitieren. Im letzten Teil der heutigen Folge gehe ich näher darauf ein.

Gehen wir mit dem Thema anstehenden Scheidung als Beispiel weiter.

Das große Ziel

Ein großes und klares Ziel fürs Coaching wäre  z. B.:

„Die Scheidung für mich und die Kinder in gute Bahnen bringen. Die richtigen Schritte unternehmen und die Bedürfnisse aller können berücksichtigt werden. Ich fühle mich wieder freier und entspannter.“

Mit so einem klaren Coachingziel kommen übrigens die wenigsten. Meist müssen wir das unseren Klienten regelrecht herauskitzeln mit unseren bohrenden Fragen. Wie das geht, darüber sprechen wir in der nächsten Folge.

Stell dir mal vor, du denkst: prima, wir haben ein Ziel, coachen wir also direkt los.

Meinst du, das kannst du in einer Stunde erreichen? Wenn du dir sicher bist, nur zu. Fang an und am Ende der Stunde schaut ihr dann, wie nah deine Klientin ihrem Ziel gekommen ist.

Meine Erfahrung ist: Manche Themen, wie z. B. der Angang einer Scheidung wenn Familie dran hängt ist doch ein komplexes Thema, das nicht unbedingt in einer einzigen Coaching Stunde zur Zufriedenheit zu lösen ist.

Und dann stellt sich die Frage: wie kannst du sicherstellen, dass KlientIn am Ende der Stunde froh über das Erreichte ist, auch wenn das große Ziel noch in einiger Ferne ist? Denn das raubt die Freude über den ersten Erfolg. Oder die Motivation beherzt weiter zu machen und vor allem dran zu bleiben.

Das kleine Ziel

Daher empfehle ich dir zusätzlich zum großen Coaching Ziel mit KlientIn das Ziel für diese Coaching Stunde zu erarbeiten. Das wäre dann ein zweites Ziel. Eines, das sofort erreichbar ist.

Die Frage, die sich dazu besonders eignet, lautet in etwa:

„Was wünscht du dir für die heutige Coaching Stunde, wie kann ich dir heute behilflich sein?“

Oder „Was soll am Ende der Stunde für dich hier passiert sein, damit du sagst, sie war hilfreich und sinnvoll für mich?“

Das könnte dann etwas sein wie im Falle unseres Beispiels: „Klarheit, dass ich fähig bin, die Scheidung durchzuziehen.“ Oder „Klarheit über den nächsten Schritt bezüglich meiner Scheidung.“ Oder auch „Gelassener und motivierter, wenn ich an die Scheidung denke.“

Bemerkst du den Unterschied? Nochmal zum reinspüren:

Das große Ziel:

„Die Scheidung für mich und die Kinder in gute Bahnen bringen. Die richtigen Schritte unternehmen und die Bedürfnisse aller können berücksichtigt werden. Ich fühle mich wieder freier und entspannter.“

Das „kleine“ Ziel für die erste Coaching-Stunde:

„Gelassener und motivierter, wenn ich an die Scheidung denke.“

Setze am besten zusätzlich Skalierungen ein für Beginn und Ende des Coachings, wie ich es in https://heartify.life/059/ „Skalierungen im Coaching – eine enorme Hilfe“ beschreibe. Dann habt ihr einen wunderbaren vorher – nachher Vergleich. Das ist ein messbares Erfolgserlebnis. Durch die Zahlen der Skalierung wird es deiner Klientin klar und deutlich. Das erfreut und motiviert, weiter zu  machen.

Jetzt hast du ein großes Coaching-Ziel und ein erstes Stundenziel.

Clustern eines großen Ziels, Zwischenziele.

Es gibt jedoch noch eine weitere Möglichkeit bezüglich Ziele. Das ist ein guter Weg, um in komplexe Themen eine nachvollziehbare klare Struktur in die Vorgehensweise zu bringen.

Dabei geht es darum, das große Ziel in mehrere Themenbereiche aufzusplitten. Das erarbeitest du sinnvollerweise gemeinsam mit der Klientin. Mit den richtigen Fragen und einer schriftlichen Übersicht ist es leichter für die Klientin eine Entscheidung zu treffen. Die Entscheidung, womit aus ihrer Sicht und ihrem Gefühl heraus begonnen werden soll.

So kann das Scheidungsthema mit verschiedenen Bereichen verbunden sein, die möglicherweise separat angegangen werden sollten. Z. B.:

  • Ressourcen aktivieren.
  • Die richtigen Helfer finden
  • Wut und Ärger über die Situation in hilfreiche Energie verwandeln
  • Vergebung – sich selbst gegenüber, dem Ehepartner gegenüber, anderen beteiligten Personen…
  • Verlustthemen aus der Vergangenheit zu verarbeiten, z. B. eines Elternteils in der Kindheit oder weitere belastenden Trennungen, die noch nicht verarbeitet sind und jetzt nochmal getriggert werden.
  • Klare Kommunikation mit dem Ehepartner und Kindern über Bedürfnisse und Schritte.
  • Eine stimmige Strategie für die praktischen Schritte entwickeln.

Merkst du etwas? Das clustern von Themen hat durchaus gewisse Ähnlichkeit damit, wie in der Wirtschaft aus einer Vision Ziele abgeleitet werden. Insofern kannst du bei komplexen Themen diese Vorgehensweise ähnlich gestalten. Der Vision entspricht das „große Coaching-Ziel“ oder auch das „große Wunder“ für diejenigen, die mit dem lösungsfokussierten Ansatz vertraut sind. Die Untergliederung der betroffenen Themenbereiche, in denen Veränderung gewünscht wird, entspricht den Zwischenzielen, auf die man abschnittweise nach Wunsch zuarbeiten kann im Coaching. Dazu sind die verschiedenen Methoden in deinem Koffer sicher gut geeignet. Denn du wirst vielleicht unterschiedliche Vorgehensweise vorschlagen wollen, je nach Zwischenziel.

Übrigens hat sich aus meiner Erfahrung bewährt grundsätzlich mit Ressourcenaktivierung zu beginnen und diese durch alle Themen immer wieder zu nutzen.

Wichtig ist immer Auftragsklärung. Wenn KlientIn emotionale Themen nicht angehen möchte, ist das definitiv nicht dran. Egal was Coach oder Berater darüber denken. KlientIn ist immer Chef und Experte bezüglich sich selbst. Alles andere ist Grenzüberschreitung, die ich fast fahrlässig finde. Denn in einer solchen Situation ist grundsätzlich die Frage: wie viel Kraft ist aktuell überhaupt da und wofür braucht sie KlientIn am dringendsten? Verarbeitung emotionaler Themen kann zwar lösen und Energie freisetzen, kostet jedoch auch Kraft und Zeit. Manchmal ist es besser zu respektieren, dass das noch warten muss.

Warum Lösungsfokus einen guter Ansatz für klare Ziele bietet.

Dann ist der lösungsfokussierte Ansatz wunderbar geeignet. Ziele klar und spezifisch definieren und kleinschrittig darauf zuarbeiten. Der Fokus liegt auf Stärken und Fähigkeiten, auf das was funktioniert und was hilfreich ist. Richtig eingesetzt stärkt der Lösungsfokus das Selbstbewusstsein und Vertrauen in die eigenen Kräfte. Denn er setzt bei dem an, was KlientIn selbst tun kann und was sich dadurch verändert. Das führt zu Selbstermächtigung, im englischen heißt es so schön „Empowerment“. Das lösungsorientierte Vorgehen von Steve DeShazer und Insoo Kim Berg primär für systemische Anwendung entstand, ist es wunderbar geeignet, das Umfeld mit einzubeziehen und so stimmige Lösungen zu finden, die die Akzeptanz des Umfelds erhöhen.

Zusammenfassung:

Meine Infografik fasst den Inhalt für dich nochmal optisch im Überblick zusammen:

Infografik Coaching Ziele © Grafik by Kathrin Stamm unter Verwendung von "hierarchy chart" DAPA Images via canva.com

Es lohnt sich, mehr als nur ein Coaching-Ziel ins Visier zu nehmen.

  1. Das große Ziel, auf das ein Coaching evtl. auch über einen längeren Zeitraum, hinauslaufen soll.
  2. Clustern von Themenbereichen zum großen Ziel und diese Schritt für Schritt im Coaching (oder auch selbst) lösen und angehen.
  3. Für jede einzelne Coachingstunde ein eigenes Ziel definieren, um mit dem vorher-nachher Vergleich den ersten (Teil-)Erfolg zu feiern und mehr Motivation und Ansporn zu weiteren Schritten zu erhalten. Bewusstes Feiern erster Erfolge sind für mich super wichtig. Es stärkt die Lösekompetenz und das Selbstvertrauen deiner Klienten und natürlich auch von dir als BegleiterIn.

Möchtest du deine Kompetenz vertiefen? Mit wunderbaren Kollegen üben, wie ihr Ziele ermittelt, vertieft und Teilschritte feiert? Wie du das Selbstbewusstsein deiner Klienten enorm stärkst, sie motivierst und beim Verwirklichen ihrer Ziele nachhaltig begleiten kannst? Dann bist du im Online-Workshop „Wie du eine lösungsfokussierte Coaching-Stunde gibst“ genau richtig. Live mit mir am 17.11. Mehr Info auf https://heartify.life/online-tagesworkshop-loesungsfokussiert/

Eine zielgerichtete Woche im Flow wünscht dir von Herzen!

Mach es dir leichter anderen zu helfen.

Kathrin (Stamm)

About the Author

Mach es DIR leichter anderen zu helfen! Mit diesem Motto hat Kathrin Stamm viele hilfreiche Tipps und Tricks auf Lager, wie du als Coach und Berater mehr Leichtigkeit in dein Leben und das deiner Klienten bringst. Hol dir die Praxistipps direkt aufs Ohr mit ihrem Podcast https://heartify.life/podcast-coachingoase

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