067 Francine Shapiro
Am Sonntag, 16.06.2019 ist Francine Shapiro gestorben. Weil ich diese Frau bewundere und ihrem Wirken sowohl persönlich als auch beruflich sehr viel verdanke, möchte ich hier in der Coaching Oase an sie erinnern.
EMDR ist unweigerlich verknüpft mit dem Namen Francine Shapiro. Denn sie ist die Begründerin der von ihr „EMDR“ (Eye Movement Desensitization) benannten Methode.
Im diesem Beitrag erfährst du mehr über ihr Leben und Wirken, wie sie EMDR „entdeckte“ und entwickelte und was sie aus meiner Sicht von ihren Kollegen unterscheidet und für mich sehr besonders macht.
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Shownotes zu Folge 067
Das Grundlagenwerk von Francine Shapiro: „EMDR – Grundlagen und Praxis“, Junfermann Verlag
Der erwähnte EMDRIA Beitrag aus den USA über Francine Shapiro.
Youtube: ein einführendes Interview mit Francine Shapiro.
Skript: Francine Shapiro
Am Samstag, 16.06.2019 ist Francine Shapiro gestorben.
Und weil ich diese Frau bewundere und ihrem Wirken sowohl persönlich als auch beruflich sehr viel verdanke, möchte ich hier in der Coaching Oase an sie erinnern. Ich habe sie nie persönlich kennen gelernt. Sie war mir jedoch nah durch ihre Methode, ihre Bücher und Videos.
Und dadurch, dass sie
- Menschen individuell und ganzheitlich sah
- in jungen Jahren Krebs hatte, der sie auf die Suche brachte.
- sich eine Verbindung zwischen verschiedenen Welten wünschte, eine verbindende Bewegung u.v.m.
- sie einen Beitrag leisten wollte zu friedvollem Miteinander von Menschen auf der ganzen Welt.
Ich habe ihre Methode hilfreich erfahren, als ich selbst krank war, habe sie gelernt und gebe sie weiter an Klienten und für die Anwendung im Coaching an Kollegen.
EMDR ist unweigerlich verknüpft mit dem Namen Francine Shapiro. Denn sie ist die Begründerin der von ihr „EMDR“ (Eye Movement Desensitization) benannten Methode.
Ich beziehe mich auf zwei Quellen für diesen Beitrag, ihr Grundlagenwerk „EMDR – Grundlagen und Praxis“ sowie https://emdria.omeka.net/items/show/7635 Link s.o.
Francine Shapiro wurde 1948 in Brooklyn, New York geboren. Sie hatte 2 Schwestern und einen Bruder. Ihr Vater war Automechaniker mit einer eigenen Werkstatt und Taxis. Wie in den 50-er Jahren üblich, war der Vater der Brotverdiener und die Mutter kümmerte sich um Haus und Kinder. Als Francine 17 war, starb ihre Schwester (9 Jahre). Wie wir mit Verlusten umgehen, beeinflusst unser Leben. Als ich diesen Abschnitt las, verstand ich besser, wie ihr einfühlsames Vorgehen beim Ermitteln der „losen Enden“ von Trauer-Themen für die Verarbeitung mit EMDR damit verbunden ist, auch das Weltbild des Klienten bezüglich Veränderung, Abschied und Tod zu erkunden. Sicher kommt nicht nur aus ihrer späteren klinischen Erfahrung, sondern auch aus ihrer eigenen Erfahrung heraus die Kenntnis, dass ein bisschen Trauer bleiben darf. Dass Trauer auch ein Zeichen von Wertschätzung dessen ist, was die Person im Leben bedeutete. Dass es jedoch wichtig ist, von der Trauer nicht überwältigt zu werden, sondern dass sie als stille würdigende Trauer Platz haben darf.
Da sie sich für Literatur interessierte sowie die Natur des Menschen und ihre Vielfalt im Verhalten. Daher studierte sie in Brooklyn und wurde zunächst High School Lehrerin für Englisch.
Während eines Sabbaticals begann sie sich für Verhaltenstherapie zu interessieren, nachdem sie Arbeiten von Andrew Salter und Joseph Wolpe gelesen hat. Im Vorwort ihres Grundlagenwerks „EMDR“ schreibt sie, wie sie früh fasziniert war von dem Ursache-Wirkungs-Prinzip der Verhaltenstherpaie mit den Konzepten der Entwicklung literarischer Charaktere und Handlungsverläufe. Etliche Autoren kamen zu dem Ergebnis, dass wirklich überzeugende Figuren in der Literatur ihre Geschichten sozusagen selbst schreiben.
Einige Zeit später bekam sie Krebs und entdeckte Norman Cousins sowie die Psychonneuroimmonologie. Sie fand die Erklärung von den Zusammenhängen von Krankheiten und Stress nachvollziehbar. Sie erfuhr Heilung durch mit Hilfe der Schulmedizin. Jedoch ihr Interesse, wie man von psychischer Seite her Stress reduzieren und Gesundheit fördern kann, war groß.
Dann kam eine Phase, in der sie alles verkaufte, was sie hatte, und mit einem Camper durch die USA fuhr. Sie besuchte Seminare und Workshops, die mit psychologischen Methoden Geist und Körper unterstützten.
Schließlich entschied sie sich für klinische Psychologei in San Diego, Kalifornien. Sie bereitete sich schon auf ihr Doktorat in klinischer Psychologie vor, als sie im Frühjahr 1987 den Spaziergang unternahm, der ursächlich zur Entstehung von EMDR beigetragen hat. Sie bemerkte nämlich, das belastende Gedanken verschwunden waren, nachdem ihre Augen sich sehr schnell diagonal hin- und her bewegt hatten. Danach versuchte sie diesen Effekt absichtlich zu wiederholen: wenn belastende Gedanken kamen, bewegte sie ihre Augen schnell hin und her. Und wieder verschwanden die Gedanken oder die Belastung.
Danach arbeitete sie ein halbes Jahr mit ungefähr 70 Freiwilligen und entwickelte ihr erstes Protokoll, ihre erste standardisierte Vorgehensweise, zunächst zur Linderung von Ängsten. Sie nannte sie EMD (Augenbewegungs-Desensibilisierung), später in der Weiterentwicklung EMDR. Sinngemäß: Desensibilisierung und Verarbeitung durch Augenbewegungen.
Bereits Ende 1987 begannen kontrollierte Tests ihres Verfahrens mit Vietnam-Veteranen und sexuell missbrauchten Menschen. Die Einzelheiten dazu erzählt Shapiro im ersten Kapitel ihres Standardwerkes „EMDR“.
Im Laufe der folgenden Jahre entwickelte Francine Shapiro und ihr Team die Arbeit weiter, begannen Kollegen darin fortzubilden und es entstand ein EMDR Netzwerk von klinischen Anwendern.
1995 erschien ihr Grundlagenwerk „EMDR – Grundlagen und Praxis“, das nach wie vor aus meiner Sicht das beste Standardwerk über EMDR ist.
EMDR wurde und wird mehr und mehr erweitert. Nicht nur Trauma, Ängste und Phobien können mit EMDR gut beeinflusst werden, auch psychische Unterstützung bei Körper-Themen oder Erkrankungen, Trauer, Verlust, Selbstwertthemen, Verarbeitung dysfunktionaler Glaubenssätze oder Gedanken. Psychiater, Psychologen, Ärzte und auch Coaches arbeiten mit EMDR-Elementen in einem breiten Anwendungsspektrum.
In jungen Jahren war ihr Traum zum Nutzen der Menschheit eine Non-Profit-Organisation zu gründen, die verschiedene Bereiche zusammenbringt: Business, Motivationspsychologie, Kreativität für Musiker, Psychoneuroimmonologie etc. Es ist etwas anders geworden. Wenn ich jedoch schaue: Wingwave für Business gründet maßgeblich auf EMDR, Coaches nutzen EMDR z. B. um Menschen bei ihrer Kreativität, Lösungsfindung, gegen Bühnenangst und zur Verarbeitung von Belastungen der Vergangenheit zu unterstützen, Ärzte und medizinische Anwender setzen es zusätzlich ein bei Schmerzen, Tinnitus, Allergien und anderen Erkrankungen.
Ich verneige mich vor der Weisheit und Kraft dieser Frau, die mit Empathie, Wärme und gleichzeitig klarem analytischen Verstand EMDR begründet und damit Menschen begleitet, darin ausgebildet und dieses einzigartige System in die ganze Welt gebracht hat.
Was mich besonders beeindruckt kommt in ihren Büchern deutlich zum Ausdruck. Sie erzählt auch in ihrem Lehrbuch Geschichten von Menschen. Sie schließt sich selbst mit ein. Sie erzählt von ihrer eigenen Erkrankung, ihren Ängsten und wie sie sich dadurch auf den Weg gemacht hat. Sie erzählt von KlientInnen als Menschen. Gleichzeitig berichtet sie dabei, wie EMDR wirkt, wie die Prozesse wirken und was zu tun ist, damit sie so wirksam werden. Sie erwähnt Studien, aber die Menschen werden nicht zu Diagnosefällen. Das hat vielleicht mit ihrer Liebe zur Literatur zu tun. Und genau damit unterscheidet sie sich für mich stark von Kollegen.
Sie sagt z. B. sinngemäß, Störungen geschehen nicht nur durch ein einmaliges oder wiederholtes nachvollziehbar-schreckliches Ereignis. Es können viele kleine Ereignisse sein, die subjektiv großen Stress verursachen. Entscheidend ist, wie subjektiv der Stress erlebt wird. Welche Fähigkeiten und Ressourcen zur Verfügung stehen. Ob das Gehirn und Nervensystem selbst regulieren kann oder eben Unterstützung in der Selbstregulation benötigt. Obwohl sie analytisch wissenschaftlich an die Entwicklung und Verbreitung von EMDR herangegangen ist, geht es bei ihr um die innere Wahrnehmung und Auswirkung der Störung – egal wie schlimm oder wenig schlimm es von außen aussieht. Und die ist eben mit EMDR veränderbar.
Für diese ihre besondere Art, eine Methode wie EMDR zu entwickeln und zu verbreiten danke ich Shapiro von ganzem Herzen. Möge ihr Erbe vielen Menschen inneren Frieden und damit insgesamt ein besseres Miteinander in die Welt bringen.
In Dankbarkeit
Kathrin (Stamm)