EMDR und Verhaltenstherapie – Teil 1
Ab und zu werde ich gefragt, ob EMDR so ähnlich ist wie Verhaltenstherapie. Und die klare Antwort ist darauf JEIN.
Ja, es gibt einige ähnliche Elemente. Einiges haben wir bereits in der letzten Podcastfolge 053 vorgestellt. Und Nein, im Vorgehen gibt es Unterschiede. Unter anderem durch Einbeziehung der Stimulation der beiden Hirnhälften.
Worin bestehen nun weitere Gemeinsamkeiten und Unterschiede? Frische bei der Gelegenheit entspannt deine Vorkenntnisse auf.
Wenn du dich mit EMDR noch nicht näher auskennst, erfährst du auf diesen Seiten mehr dazu.
Was erwartet dich in: EMDR und Verhaltenstherapie Teil 2?
Wir vergleichen in dieser Folge die Interventionsmethoden der Verhaltenstherapie mit EMDR:
- Systematische Desensibilisierung
- Reizkonfrontation, Flooding
Frische bei der Gelegenheit deine Grundkenntnisse ein wenig auf – ganz entspannt.
Hier geht’s zum Podcast-Audio EMDR und Verhaltenstherapie – Teil 2
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Shownotes zu Folge 054
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Detailinfos, wie du EMDR sicher und nachhaltig lernen kannst.
EMDR und Verhaltenstherapie Teil 2 – Zusammenfassendes Skript
Kommen wir zur Methodik von EMDR und Verhaltenstherapie im Vergleich.
1. Systematische Desensibilisierung
Die systematische Desensibilisierung kennst du als KollegIn vermutlich bereits. Die Vorgehensweise wird gerne bei Ängsten und Phobien eingesetzt.
In der Verhaltenstherapie
- wird dazu zunächst wird ein Entspannungsverfahren eingeübt. Zum Beispiel Progressive Muskelentspannung.
- Dann wird der Klient gebeten sich die angstauslösende Situation vorzustellen. Man beginnt mit dem am wenigsten angstauslösenden Moment und geht kleinschrittig weiter. Bevor eine überwältigende Stressreaktion erfolgt, wird die Entspannungsmethode angewendet. Immer wenn die Grenze der Erträglichkeit erreicht ist, wird die Entspannungsmethode angewendet.
- Das Ganze wird wiederholt und kleinschrittig gesteigert. Bis kein Stress mehr auftaucht in der Visualisierung Das braucht Geduld und Zeit.
Beim EMDR
nutzen wir im Rahmen der Vorbereitung für den Verarbeitungsprozess verschiedene Möglichkeiten zur Stabilisierung, Orientierung im Hier und Jetzt. Diese werden ebenfalls gründlich erprobt. Außerdem knüpfen wir an Ressourcen, Fähigkeiten und erfolgreiche Bewältigungserlebnisse. Damit machen wir verschiedene vorbereitende Prozesse. Das geht aus meiner Sicht über die Einbeziehung einer Entspannungsmethode hinaus.
Dennoch empfehle ich auch EMDR Klienten, besonders wenn es um Ängste geht, eine Entspannungsmethode nach Wahl als Basis zu erlernen oder zu üben. Das geht heute wunderbar mit MP3s oder CDs. Natürlich auch mit den von der Krankenkasse geförderten Entspannungskursen.
Beim EMDR gibt es ebenfalls kleinschrittige Visualisierungen einer Situation, die man angstfrei erleben möchte. Beim EMDR wird diese Vorstellung – natürlich nur nach guter Vorbereitung wie oben beschrieben – mit der Stimulation der beiden Gehirnhälften verknüpft. Das beschleunigt die Verarbeitung. Das Ganze wird so oft wiederholt, bis der Ablauf in der Vorstellung keinen Stress mehr auslöst. Dabei gibt es verschiedene Dinge zu berücksichtigen, die dann im Rahmen von Ausbildung gelernt und geübt werden.
Beim EMDR unterstützen wir Klienten darin, in die Lebensphase der Entstehung ihrer aktuellen Angst, also wann es zuerst aufgetreten ist, zu schauen. Was in dieser Zeit für Stressfaktoren oder einschneidende Lebensveränderungen aufgetreten sind. Oftmals ist es hilfreich, die damit verbundenen Erinnerungen zuerst mit EMDR zu verarbeiten. Es kommt vor, dass bereits dadurch eine Angst verschwindet oder bereits besser beherrschbar oder geringer wird.
2. Reizkonfrontation oder Exposition
In der Verhaltenstherapie
lernt der Klient, sich einer starken Angst zu stellen und sie auszuhalten. Das kann in der Vorstellung oder real geschehen. Klienten denken, sie würden ohnmächtig oder müssten sterben. Das passiert jedoch nicht. Klar die Angst fühlt sich schrecklich an, jedoch die gefürchteten Konsequenzen bleiben aus. Und mit der Zeit klingt die Angst tatsächlich ab.
Ich bin zum Beispiel nicht so wagemutig, was Klettern betrifft. Als ich mit Anfang Vierzig im Rahmen der Betreuung einer Jugendfreizeit die Aufgabe zugewiesen bekam, den Kletterpark dort mit zu betreuen, sackte mir erst das Herz in die Hose. Dann gab ich mir einen Ruck. Mit den kompetenten Einweisern hangelte ich mich an den Seilkonstruktionen von Baum zu Baum und von Plattform zu Plattform. Das ging ja noch einigermaßen. Als ich dann jedoch mit einem Seil wie Tarzan zu einem Netz schwingen sollte, war es fast aus. Denn ich musste das Seil loslassen, um das Netz zu ergreifen. Ich vergesse nicht, wie ich unter größtem Stressgefühl es dann doch hinbekam. Und bei der zweiten Runde war es schon vertrauter. Danach war es ein „Spaziergang“ und hat richtig Spaß gemacht. Auch konnte ich danach die Kinder ermutigend begleiten.
Hast du auch schon mal eine Situation erlebt, bei der du sprichwörtlich fast gestorben wärst vor Angst? Und dann hast du es gemacht und es war großartig? Oder zumindest erträglich? Ich finde solche Erfahrungen recht hilfreich.
In der Verhaltenstherapie gibt es da zwei Möglichkeiten, sich mit einer beängstigenden Sitation zu konfrontieren:
- Man beginnt mit der weniger beängstigenden Situationen (in realiter, nicht in der Vorstellung) und steigert die Situation stufenweise. Das heißt graduierte Exposition.
- Oder man geht direkt in die schlimmste Situation real hinein. Das nennt man dann Reizüberflutung oder Flooding. Diesen Prozess darf man erst beenden, wenn die Situation weitgehend angstfrei ertragen werden kann.
Interessanterweise zeigt die Reizüberflutung oder Flooding die besten Ergebnisse in Untersuchungen.
Beim EMDR
bietet es sich auch manchmal an, mit dem Klienten nach guter Vorarbeit und schrittweiser Visualisierung, das Ergebnis in der Realität zu testen. Das habe ich schon gemacht, als darum ging, wieder Aufzug fahren zu können. Nachdem in der Visualisierung keine Angst mehr auftrat, sind wir dann gemeinsam in einen Aufzug gestiegen und sobald ein mulmiges Gefühl aufstieg, haben wir zuvor erarbeitete Ressourcen sowie die Stimulation der beiden Gehirnhälften genutzt. Damit konnten „letzte Reste“ einfach beseitigt werden.
Achtung: Reizüberflutung oder Flooding keinesfalls mit EMDR verbinden!
Denn damit EMDR wirken kann, darf das Gehirn- und Nervensystem nicht unter großem Stress stehen. Das sollte man in einer fundierten EMDR Ausbildung gelernt haben. Auch wenn es um EMDR fürs Coaching geht. Denn Ängste tauchen ja auch im Rahmen von Coaching auf. Mehr zu dem Thema Stress und Coaching findest du im Beitrag zum Toleranzfenster im Coaching.
Um Ängste aufzulösen oder auch sein Verhalten zu ändern, gibt es im Coaching mit EMDR eine besondere Vorgehensweise, die wir in der Ausbildung lernen und üben.
Zusammenfassung:
Wenn du Fachkundig bist, wirst du als gemeinsame Elemente von Verhaltenstherapie und EMDR erkennen:
- das kleinschrittige Vorgehen
- die Wiederholung bis zu einer störungsfreien Visualisierung
- sowie die Einbeziehung von Entspannungstechniken.
Unterschiede zwischen Verhaltenstherapie und EMDR sind:
- die Recherche und Verarbeitung von Lebenseinschnitten in der Entstehungsphase (bei EMDR(
- die zusätzlichen Nutzung gründlicher Ressourcenarbeit
- sowie die beschleunigte Verarbeitung durch Stimulation beider Gehirnhälften.
Möchtest du mehr über EMDR und erste umsetzbare Praxistipps wissen? Dann sei willkommen auf den ausführlichen Info-Seiten zur EMDR Ausbildung.
Nächste Woche beginnen wir ein neues Thema, zu dem ich eine Expertin gewinnen durfte. Brigitte Hettenkofer verrät uns, was wir über Schlafstörungen wissen sollten. Denn immer mehr Menschen leiden unter Schlafstörungen. Und die Menschen, die darunter leiden, werden immer jünger. Ist es der Stress? Welche Fragen sollten wir Klienten stellen? Wie können wir Klienten unterstützen zu erholsamen Schlaf? Sei neugierig auf die Schlafcoaching-Tipps von Brigitte Hettenkofer.
Bis dahin mit kollegialen Grüßen!
Kathrin (Stamm)