Podcast Coaching Oase Heartify Folge 023: Einmal Musst Du Ran – oder was ist EMDR? Schon mehrmals habe ich im Podcast im Zusammenhang mit wirksamen Methoden zum Auflösen dysfunktionaler, also nicht hilfreicher Muster, Gedanken und Erinnerungen die Abkürzung EMDR fallen lassen. In dieser und den nächsten Folgen werde ich den Schleier lüften: Was ist EMDR – Entstehung und Wirkweise, darum geht es heute.
Inhalt „Was ist EMDR?“
Du erfährst,
- wie ich selbst zum EMDR kam, was es bei mir bewirkte und immer noch bewirkt.
- wie EMDR entstand
- die Grundannahmen zur Wirkung
- und zwei anschauliche Metaphern/Bilder, die mehr sagen als viele schlaue Worte.
Du bekommst wieder Links und Tipps für weitere Vertiefung ins Thema EMDR Grundlagen und Praxis.
Die Shownotes findest du unter dem Audio.
Hier kannst du Folge 023 hören:
Verpasse keine Folge mehr und abonniere den Podcast kostenfrei auf dein Smartphone, Pad und/oder PC.
Shownotes zu Folge 023:
Die erwähnten Videos:
Francine Shapiro, Begründerin des EMDR im Interview mit Dr. Arne Hofmann
Francine Shapiro Ph.D. EMDR Webinar „The Past is Present“
Mary Poppins – A Spoonful Of Sugar (from „Mary Poppins“) https://youtu.be/IirOg9Vz4zc
Bücher:
David-Servan Schreiber: Die neue Medizin der Emotionen. Stress, Angst, Depression. Gesund werden ohne Medikamente
Francine Shapiro: EMDR Grundlagen und Praxis, Junfermann Verlag
Mehr über die Heartify EMDR Coach Ausbildung.
Textfassung (leicht gekürzt): Was ist EMDR?
Wie ich persönlich EMDR kennengelernt habe.
Wie ich bereits in einer Podcastfolge berichtet habe, bekam ich vor längerer Zeit das wunderbare Buch „Die neue Medizin der Emotionen“ von David-Servan Schreiber geschenkt. Darin findest du eine gute Beschreibung, was EMDR für dich tun kann. Das Lesen hat bei mir jedoch zunächst nicht gezündet. Erst als es für mich darum ging, mich für die vorgeschlagene Brustamputation zu entscheiden, fragte ich mich, wie ich mit dem Widerstand und der Panik in mir umgehen könnte. Ich ging zu einer Kollegin. Die machte mit mir einige wenige Sitzungen, in der wir das Thema mit „Winken“ bearbeiteten. Was machst du da eigentlich? fragte ich sie. EMDR erklärte sie mir kurz, habe ich in USA gelernt. Aha, jetzt fiel der Groschen. Die Panik und Angst verschwand. Bis auf den heutigen Tag finde ich mich auch mit einer Brust schön und fühle mich rundum wohl als Frau. Das hätte ich nicht gedacht.
In der Folgezeit kamen Menschen zu mir in die Praxis (Heilpraktikerin Psychotherapie), bei denen während einer Sitzung Erinnerungen an Missbrauch-Erfahrungen hochkamen, die sie überwältigen. Was tun? Ich erinnerte mich an das, was meine Kollegin mit mir gemacht hat und wendete es an. Und die Belastung verschwand auch hier. Als mir das zum dritten Mal passierte, wurde mir klar, dass ich ein professionelles Fundament dafür wollte. So ließ ich mich in EMDR ausbilden. Da es schnell und nachhaltig wirksam ist, ist es zu meiner Lieblings-Coaching-Methode geworden. Mittlerweile bilde ich Kollegen darin aus.
Was ist EMDR – Wortbedeutung:
Eye Movement Desensitization and Reprocessing. Was so viel bedeutet wie Desensibilisierung und Neustrukturierung durch Augenbewegung.
Mittlerweile gibt es gute Ergebnisse mit weiteren Arten bilateraler Hemisphärenstimulation (wechselseitige Stimulation der Hirnhälften als Wirkprinzip): taktil (Berührung), akustisch, durch Lichtreize etc. Francine Shapiro schreibt in der Neuauflage ihres Grundlagenwerkes, dass sie selbst bedauert, dass der Name EMDR an die Augenbewegung geknüpft ist. Jedoch ist er mittlerweile etabliert und so bleibt er.
Ein ehemaliger Klient, der auch Psychiatrieerfahrung hatte, erzählte mir, dass man dort munkelte, die Abkürzung steht für „Einmal musst du ran.“ Das zeigt schon einen gewissen Respekt, der aus meiner Sicht durchaus angebracht ist. Denn EMDR ist nicht für jeden oder zu jederzeit geeignet, bedarf behutsamen Vorgehens und sorgfältiger Vorbereitung und Tests. Vor allem in der Psychiatrie und Psychotherapie. Im Coaching kann es hervorragende Dienste leisten, erfordert jedoch auch da Fachkunde und feine Beobachtungsgabe.
Entstehung des EMDR
Die amerikanische Psychologin Francine Shapiro ist die Begründerin des EMDR. In ihrem Grundlagenwerk EMDR Grundlagen und Praxis erschienen im Junfermann Verlag, beschreibt sie wie es dazu kam. Sie ging 1987 mit belastenden Gedanken spazieren. Übrigens war sie in jungen Jahren ebenfalls von Brustkrebs betroffen. Das löst natürlich auch bei vernünftigen und aufgeklärten Menschen Ängste und Sorgen aus. Sie bemerkte jedoch, dass die Belastung plötzlich verschwunden war, auch wenn sie sich die Gedanken nochmal in Erinnerung rief. Im Nachhinein fiel ihr auf, dass ihre Augen sich schnell hin und her bewegt hatten. Sie wiederholte das Ganze zunächst im Eigenexperiment: belastende Gedanken, schnelle Augenbewegungen – und die Belastung verschwand erneut. Im nächsten Schritt fragte sie einige Menschen im Umfeld, ob sie mit ihnen etwas probieren könnte. Dabei stellte sie fest, dass nicht jeder selbst diese Augenbewegungen produzieren konnte und leitete die Augenbewegungen mit dem Finger vor den Augen an. Das gleiche Ergebnis: Belastungen verschwanden bei den Versuchspersonen. Mit Kollegen und Teilnehmern ihrer Workshops entwickelte sie ein Standardverfahren. Im nächsten Schritt bekam sie Gelegenheit in der Klinik mit traumatisierten Patienten (Vietnam-Veteranen und Menschen mit Mißbraucherfahrung) zu arbeiten. Zahlreiche Studien folgten. In ihrem Fachbuch sowie in einem in den Shownotes verlinkten Webinar von ihr kannst du mehr über die Studien nachlesen. Noch mehr über Francine Shapiro’s Leben und Wirken erfährst du hier.
Einsatzmöglichkeiten für EMDR
Bekannte Einsatzmöglichkeiten für EMDR sind posttraumatische Belastungsstörungen, Ängste, Phobien u.v.m.
Weniger bekannt ist vielleicht, dass es hervorragend geeignet ist, um dysfunktionale Gedanken, Verhaltensmuster und belastende Gefühle zu verarbeiten. Dazu gehören insbesondere die sogenannten Glaubenssätze oder Kernüberzeugungen. Jene Unumstößlichkeiten, die einem richtig zur Last werden können, weil sie tief verwurzelt sind seit jungen Jahren. Aus einer Zeit, in der Erfahrungen noch direkt ins Unterbewusste gingen und sich dort verankerten. Weil z. B. das Gehirn im Kleinkind- aber auch im Kindesalter noch andere elektrische Impulse erzeugt (z. B. mehr Delta oder Alpha-Wellen).
Grundannahmen des EMDR: das Informationsverarbeitungs-Modell
Als Ursache für auftretende Belastungen und Störungen werden unverarbeitete Erfahrungen gesehen (häufig aus der frühen Kindheit).
Die Lösung geschieht durch Verarbeiten dieser belastenden Erinnerungen, Trigger und Zukunftsszenarien daraus.
- Normalerweise haben wir im Gehirn Zugang zu diversen Fähigkeiten, Erlerntem und hilfreichen Quellen.
- Durch eine wie auch immer geartete starke Belastungs- und Stresssituation kann das Gehirn aus dem Gleichgewicht gebracht werden.
- Wenn solche Störungen bereits in frühen Lebensjahren entstehen, können sich daraus dysfunktionale Verhaltensweisen, Gedanken und sogar Identitätsstrukturen entwickeln. Es wird angenommen, dass die Information zum Zeitpunkt des Geschehens nicht richtig verarbeitet werden konnte. Da auch angenommen wird, dass diese Erinnerungen in einem isolierten neuronalen Netzwerk gespeichert werden, kann kein Lernen oder Veränderung mehr stattfinden.
- Augenbewegungen oder andere wechselseitige Stimulation der Gehirnhälften kann die Verarbeitung aktivieren. Voraussetzung ist dafür, dass vorher die Netzwerke geöffnet wurden, die mit gelerntem, hilfreichen Erfahrungen und Wissen verbunden sind.
- Wenn die Verarbeitung stattfindet, verschwinden Belastungen, verändern sich die Gedanken und Gefühle, tauchen Lösungen auf. Dies wird mit einer neuen Selbstbewertung gespeichert.
- Die schnellen Augenbewegungen scheinen die Verarbeitung zu begünstigen vergleichbar den REM-Phasen des Schlafes mit Augenbewegungen, in denen ebenfalls Verarbeitung stattfindet und z. B. geträumt wird.
Das klingt jetzt vielleicht sehr wissenschaftlich, obwohl es reine Hypothesen sind. Unser westlich orientierte Verstand hat so etwas ja gern, dazu zähle ich mich auch.
Veranschaulichung der Wirkungsweise von EMDR mit zwei Metaphern/Bildern:
Das erste ist ein Film, den ich schon als Kind liebte: Mary Poppins. Kennst du sie? Da gibt es eine Szene, in der die Kinder ihr Durcheinander im Kinderzimmer aufräumen sollen. Wie mühsam, wieder alles zurückzulegen an Ort und Stelle. Die Kinder haben sichtlich keine Lust darauf. Mary Poppins zeigt ihnen, wie es geht: sie klatscht auf eine bestimmte Art und Weise in die Hände und alles sortiert sich an seinen Platz. Die Kinder lernen es dann auch. Ich fand das als Kind enorm praktisch, leider hat es bei mir nicht funktioniert… Ich sage gerne: Was Mary Poppins macht, tut EMDR in unserem Gehirn: nämlich alles wieder dorthin sortieren, wo es hin gehört, zackzack.
Ein anderes Bild ist eine Reise mit dem Zug. EMDR ist wie eine Zugreise durch die Vergangenheit. Jedoch nicht mit einem Bummelzug, wo man nochmal ausführlich alles anschaut und je nachdem nochmal leidet. Sondern wir fahren mit dem ICE. Es sausen nochmal die ein oder andere Erinnerung vorbei und gleichzeitig wird sie durch die Stimulation verarbeitet. Daher kommst du schneller zu deinem neuen dir gesetzten Persönlichkeitsentwicklungsziel deiner Reise.
Hast du auch schon Erfahrungen mit EMDR gemacht? Dann schreib mir gerne davon ins Kommentarfeld
Nächste Woche geht es dann weiter mit den 8 Schritte des EMDR. Mehr Info zur Ausbildung im Coaching mit EMDR findest du hier.
Bis dahin eine gute Zeit!
Kathrin (Stamm)