Podcast Folge 018 – Interview mit Hans-Dirk Reinartz. 3 Schlüssel gegen Burnout.
Heute freue ich mich den ersten Interviewgast in der Coaching Oase Heartify® vorzustellen. Hans-Dirk Reinartz ist Facharzt mit Diplom in Palliativmedizin, Motivberater und Mentaltrainer. Er berichtet sowohl von den Herausforderungen seiner ärztlichen Tätigkeit, insbesondere der Betreuung Schwerkranker und sterbender Menschen. Wie er selbst ohne es zu merken in das berüchtigte „Burnout“ geraten ist und erstaunlich schnell wieder herauskam. Sei gespannt auf seine drei Schlüssel für Menschen, die intensiv herausgefordert sind.
Inhalt: 3 Schlüssel gegen Burnout von Hans-Dirk Reinartz
Das erwartet dich in der heutigen Spezialfolge, dem Interview mit dem Arzt Hans-Dirk Reinartz.:
- Was ist überhaupt eine Palliativstation?
- Woraus hat er als Arzt in seiner Arbeit Kraft gewonnen?
- Und was hat ihn und seine Mitarbeiter an die Grenzen der Belastbarkeit gebracht?
- Wenn Menschen, die anderen helfen, plötzlich selbst betroffen sind. Sei es durch körperliche Krankheit oder nervlicher. Was verändert sich da? Wie bemerken sie es? Was ist anders als bei „normalen“ Patienten?
- Die 3 Schlüssel gegen Burnout
- Seine zwei Lieblingsbücher (absolute Empfehlungen!)
- Die Projekte, die ihm derzeit besonders am Herzen liegen offline und online.
Am Ende weißt du
- dass es auf einer Palliativstation insbesondere um das Leben geht 😉
- über die Eigenerfahrung des Arztes mehr über die schleichende Burnout-„Gefahr“ in sozialen Berufen
- welche drei Schlüssel du selbst anwenden kannst, um das Risiko zu minimieren
Die Shownotes findest du unter dem Audio.
Hier kannst du Folge 018 hören:
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Shownotes zu Folge 018:
Zur Website von Hans-Dirk Reinartz gelangst du hier: https://hansdirkreinartz.com Dort kannst du dir sein kostenloses Ebook downloaden mit wunderbaren Fotos und inspirierenden Gedanken für herausfordernde Zeiten.
Einen empfehlenswerten Selbsttest zu Burnout findest du hier: https://www.psychomeda.de/online-tests/burnout-test.html
Die Buchempfehlungen von Hans-Dirk Reinartz:
Klaus Haetzel: Wege auf Wasser und Feuer. Vom Krebspatienten zum Ultraman. Verlag: CreateSpace Independent Publishing Platform. Dazu eine kleine Anmerkung von mir: Dieses Buch hat mir sehr viel Kraft und Mut gegeben, als ich selbst betroffen war. Hans-Dirk Reinartz beschreibt es als besonders hilfreich für den Weg vom „Opfer“ zum „Täter“ im Sinne von Schöpfer seines Schiksals.
Andreas Klaene: Till Türmer und die Angst vor dem Tod. Verlag: Epubli.
Hole dir kostenfrei den Mini Emailkurs zum 4 Heartify® Schritte Arbeitsblatt zur praktischen Übung und Umsetzung. Die 4 Schritte sind besonders gut geeignet um deine Selbstwahrnehmung und dein Selbst-Bewusstsein zu schärfen. Eine Voraussetzung um frühzeitig zu erkennen, worauf du zusteuerst, ob es etwas zu verändern gibt und auch was.
Das Wichtigste aus dem Interview mit Hans-Dirk Reinartz
Was ist Palliativmedizin?
Menschen in der letzten Lebensphase zu begleiten. Das Wort „palliativ“ kommt von Pallium – der Mantel. Hans-Dirk Reinartz stellt das Bild vom Mantel als Symbol für Palliativmedizin vor. Es ist wie im Winter zu frieren, weil man nur ein dünnes Hemd hat. Da wärmt ein Mantel, auch wenn es draußen weiter eiskalt ist. Wenn eine Krankheit nicht mehr heilbar ist, wird das offen kommuniziert. In der Palliativstation sorgen die Mitarbeiter dafür dass sich die Lebensqualität bis ans Lebensende möglichst gut ist und Symptome gelindert werden.
Es folgen einige exemplarische Ausschnitte aus dem Interview von Hans-Dirk Reinartz.
Hans-Dirk, woher beziehst du Kraft auf der Palliativstation?
Auf keiner Station wurde so viel gelacht wie auf den beiden Palliativstationen. Das Personal lacht viel, feiert Geburtstage mit Patienten und kümmert sich in jeder Hinsicht um die Patienten und Angehörigen. Jeder im Team gibt viel. Gleichzeitig kommt so viel von den Patienten und Angehörigen zurück. (…) Es lässt sich gut aushalten, wenn der Tod und das ganze Thema nicht tabuisiert wird, sondern ins Leben geholt wird. Auf der Palliativstation wird gelebt. Da wird auch gestorben, aber vorher wird gelebt!
Der Dalai Lama als Oberhaupt des tibetischen Buddismus ist ein ständig lächelnder und fröhlicher Mensch. Was macht er? Er bereitet sich sein ganzes Leben, 24h rund um die Uhr auf den Tod vor und ist ein durch und durch fröhlicher Mensch. Das ist meine Botschaft, die ich gerne jedem rüberbringen möchte. Dass man sich im Leben damit auseinander setzen kann. Und wenn man es tut fällt es einem am Lebensende leichter. Keiner weiß wann das Lebensende kommt. (…)
Was hat dich oder deine Mitarbeiter an die Grenzen der Belastbarkeit gebracht?
Als Arzt muss man extrem viel arbeiten. Als in der Öffentlichkeit die Diskussion um eine 38h-Woche im normalen Arbeitsleben war, ging der Slogan von den Ärzten um: runter von der 70-Stunden-Woche!
Leider ist die Medizin zu einem reinen wirtschaftlichen Unternehmen „verkommen“. Gebührenordnungen und Krankenkassenzwänge lassen für das Arzt-Sein nicht mehr sehr viel Platz. Das laugt Menschen aus.
So bin ich schleichend über Monate hinweg in ein Burnout gerutscht, bis ich von einem Tag auf den anderen plötzlich nicht mehr arbeitsfähig war. Ich war über drei Monate krank geschrieben und habe in einem schwarzen Loch gesessen. Und ich habe es nicht gemerkt! (…) Das war eine gute und wichtige Zeit. Ich weiß, wie es ist, wenn man nur noch im schwarzen Loch hängt. (…)
Wie ist das wenn man als Fachmann plötzlich selber auf der anderen Seite ist?
Ich war sogar kurz vorher noch zertifiziert für einen Lebensmotivationstest, der Motivstrukturanalyse und das Reiss-Profil. Ich kannte mich mit Lebensmotiven ganz gut aus. Dachte ich.
Irgendwann fiel mir ein Artikel über Burnout in die Hände mit einer Checkliste. Ich hab die Checkliste gemacht und hatte maximale Punktzahl. Tiefstes Burnout. Ich dachte: Der Autor spinnt, das ist eine obskure Liste aus dem Internet. Dann habe ich mir den Autor näher angeguckt. Es war ein internationaler Burnout-Fachmann, der diese Liste verfasst hatte. In dem Moment dachte ich: oh, er hat Recht. Das war im Februar. Ich habe noch bis Mitte August weiter gearbeitet als würde alles so sein wie vorher. So schlecht geht man als Profi damit um. Weil ich einfach gedacht habe: Ich muss weiter funktionieren. Ich muss weiter arbeiten. Als Arzt kann ich doch nicht sagen: Ich habe einen Burnout. Das geht doch nicht. Das ist nur so eine Modediagnose. Bis mir an diesem Tag im August einfach der Boden unter den Füßen weggerissen wurde und mir klar wurde: Wenn ich jetzt weiter arbeite stelle ich eine Gefahr für meine Patienten dar. (…) Mein Chef fiel aus allen Wolken und erklärte mich für verrückt. Der Arzt hat mich dann krank geschrieben und das war allerhöchste Zeit. (…) Es ist wie mit einem Streichholz oder einer Kerze, die so ganz runter brennt. Irgendwann macht es plopp und der Docht fällt um und Licht ist aus.
Wie bist du schon nach drei Monaten da wieder rausgekommen?
Das war ein sehr schwieriges Thema, weil ich auf der Station eine sehr wichtige Funktion hatte. Als stellvertretender Leiter habe ich die meisten Dienste gemacht und alle wollten, dass ich möglichst schnell wieder weiter arbeite.
Als ich wiederkam wurde ich von Seiten des Krankenhauses mit verschiedenen Dingen konfrontiert, die ich anders machen sollte. Ich habe jedoch gesagt: Stopp, ich mache gar nichts anders. Ich arbeite so, wie ich es für mich kann. Und ich habe angefangen mehr auf mich zu achten. Und nicht mehr alles mitzumachen oder alles mit mir machen zu lassen.
Es war extrem schwer rauszukommen. Es hat Rückfälle gegeben. (…) Aber ich kann jetzt die Dinge sehen. Ich sehe, wie es runter geht und nehme es wahr. Dann kann ich daran arbeiten, dass es wieder hochgeht. Gefeiht vor diesem hoch und runter bin ich überhaupt nicht. Kein Mensch ist davor sicher. Der entscheidende Punkt ist: wann sehe ich es? Sehe ich es, solange ich noch was tun kann? Oder sehe ich es erst wenn ich im Loch bin und dann ist es zu spät. Dann muss man sich rausziehen. Weil dann ist man in jedem Beruf, egal ob Lehrer oder Arzt oder in einem anderen Beruf ist, dann ist man eine Gefahr im eigenen Umfeld wenn man weiter arbeitet.
(…)
Der 1. Schlüssel gegen Burnout im sozialen Beruf
Der erste der 3 Schlüssel gegen Burnout ist Räume schließen. Wenn ich von einem Patienten zum anderen gehe, nehme ich ihn in Gedanken mit, wenn ich zum nächsten Patienten gehe. Dann bekommt der nächste vielleicht nur 70% meiner Aufmerksamkeit. Das hat er nicht verdient. Er hat 100% verdient. (…) So banal es klingt: dieses aus dem Raum rausgehen und bewusst die Türe schließen ist der Schlüssel von allem. Sowohl äußerlich Türe schließen und genauso innerlich. Z. B. die Dinge, die mich belasten, abzuschließen. (…) Das fängt im Alltag an. Wenn ich gegessen habe, gehe ich hinterher in die Küche und spüle. Da ist der Raum abgeschlossen. Das hat was mit Achtsamkeit zu tun. (…) Je mehr Abstriche man macht, weil einem dieses oder jenes noch im Kopf herumspukt, müsste man eigentlich dem Klienten wieder das Geld zurück geben. Weil man ihm nicht mehr 100% gibt. (…) Das wichtigste ist der eigene Prozess im Coach oder in mir. Wenn ich es schaffe, loszulassen. Wenn ich es schaffe, den Klienten zu entlassen bis zur nächsten Sitzung.
(…)
Der 2. Schlüssel gegen Burnout
Wenn man den Raum abgeschlossen hat und merkt, er ist doch noch offen z. B. am Feierabend, dann wende den zweiten der 3 Schlüssel gegen Burnout an:
Einen Raum für dich öffnen. Ich bin aus der akuten Krankheitsphase durch die liebevolle Begleitung einer Therapeutin gekommen. (…) Sie hat mir einfach einen Raum gegeben da zu sein. Einen Raum von Akzeptanz und Wertschätzung und hat mich einfach in diesem Raum aufgefangen. Sie hat auch nicht versucht, mich zu ändern oder irgendwelche Tipps und Tricks beizubringen, wie man in Zukunft besser mit dem status quo umgeht. Sie hat mich einfach aufgerichtet, indem sie mich mich selbst hat sein lassen. Während die Institutionen versucht haben mich auf die Medikamentenschiene zu drängen nach dem Motto: mach das! Medikamente wirken in dem Moment aber sie knüppeln chemisch runter. So dass man dann „darüber“ funktioniert aber die Dinge „drunter“ sind noch alle da. (…) Die meisten Ratschläge werden meist als Schläge ausgeteilt auch wenn sie noch so nett gemeint sind. Ein unverlangter Rat um den nicht gebeten wurde, ist immer ein Schlag. Und ich habe noch niemanden gesehen – mich eingeschlossen – der auf ungebetene Ratschläge reagiert hat und sie umgesetzt hat. (…)
Es erfordert bei sich selber eine Offenheit, ein Suchen und ein Lösung-finden-wollen. Ich bin weit entfernt davon bibelfest zu sein. Aber ich vergesse nicht den einen Spruch:
„Klopfet an, so wird euch aufgetan.“ Da steht nicht: „Bleib vor der Tür stehen, irgendwann geht sie auf.“
Das Anklopfen ist das durch-die-Tür-durchgehen-wollen. In einen neuen Raum gehen wollen. Andere Wege finden wollen.
„Dein Gefängnis wird nicht schöner, wenn du die Wände mit Fototapete beklebst.“
Der hat mächtigen Tiefgang. Viele Menschen befinden sich in ihren Gefängnissen und kleben jedes Jahr neue Fototapete hin und merken es gar nicht. Das Anklopfen an die Tür, das „ich will raus, ich will etwas anderes.“ Ich habe immer die Wahl. Ich kann sagen: so wie ich jetzt bin bleibe ich. Wenn’s mir nicht gefällt muss ich mir die Frage gefallen lassen: Ok, warum änderst du es nicht? Wenn ich sage, nein ich will bleiben, ich will leiden, ich will dass es mir schlecht geht, dann darf ich das ja. Und ich darf auch woanders hinwollen. Nur wenn ich woanders hin will heißt das automatisch, ich muss das Alte verlassen. (…)
Die meisten (Ehe-)Krisen, die über Jahre oder Jahrzehnte bestehen, beruhen auf dem Motto „lieber die bekannte Hölle als der unbekannte Himmel“ (Thorwald Dethlevsen)
Viele Leute haben lieber die bekannte Hölle im Berufleben oder im Privatleben, weil sie es kennen. Da wissen sie, wenn ich da hingehe, tut es so weh, wenn ich dort hingehe, tut es so weh. Ich kenne alles. Ich kenne diesen Raum, der ganz schrecklich ist. Aber ich kenne ihn. (…) Und da draußen ist etwas Unbekanntes. Das könnte ja noch viel schlimmer sein.
Und das ist der wichtigste Tipp, den man anderen Menschen mitgeben kann: Wenn es einem irgendwo nicht gefällt hat man immer zwei Möglichkeiten. Zu sagen o.k. ich bleibe, dann muss man die entsprechenden Folgen tragen. Oder man kann sagen: ich klopfe an die nächste Tür. Wo will ich hin?
(…)
Wenn wir etwas anderes wollen, müssen wir etwas anderes machen. (Hans-Dirk Reinartz)
(…) Diese Wahlmöglichkeit ist enorm wichtig zu kommunizieren. Und wenn wir etwas nicht wollen hat es oft damit zu tun, dass wir den Preis nicht bezahlen wollen, der damit verbunden ist. (…)
Nimm dir
- Zeit für dich selbst
- Pausen
- Auszeiten
Lass dich nicht davon abbringen, Dinge für dich zu tun. Auch wenn andere Menschen nur daran interessiert sind, dass du (im Berufleben) funktionierst. In den meisten Arbeitsfeldern ist es so, dass das Funktionieren das wichtigste ist. Wie es den Mitarbeitern dabei geht, interssiert nicht. (…) Das ist auch ein Grund warum manche Familienfirmen (Familien) in die Insolvenz gehen, wenn man es mal wirtschaftlich ausdrückt. Es geht nicht, wenn man nur funktioniert. (…) Es geht eine gewisse Zeit, aber irgendwann kommt der Crash. (…)
Der 3. Schlüssel gegen Burnout
Und nun der letzte der 3 Schlüssel gegen Burnout: Wenn wir darauf warten, dass unser Arbeitgeber die Probleme für uns löst warten wir ewig.
So lange ich denke, dass ich Opfer der Umstände bin, bin ich immer verurteilt passiv zu sein, nämlich Opfer.
Ich kann nichts dafür. Die anderen machen etwas mit mir.
Erst wenn ich umschalte auf „Täter“, wenn ich der Täter, der Kreator, der Schöpfer in meinem Leben bin, habe ich den Schlüssel in der Hand.
Es geht immer um dasselbe: Lebe ich mein Leben oder lebe ich das Leben von jemand anderen?
Die Buchempfehlungen von Hans-Dirk Reinartz siehe oben unter Rubrik Shownotes.
Wir haben Zeit unser Leben zu leben. Die Zeit müssen wir uns jedoch nehmen. Die Frage ist: wieviel Zeit wir uns für uns nehmen. Ich weiß, wo man hinkommt, wenn man sich keine Zeit für sich nimmt…
Im Podcast gibt es noch eine kleine anschauliche Geschichte zu dem Thema Zeit, sich Zeit nehmen. Du hörst sie im Podcast.
Über das im Podcast erwähnte Projekt mit Andreas Klaene kannst du von Hans-Dirk Reinartz weitere Informationen bekommen. Lade dir das E-Book von Hans-Dirk Reinartz herunter und abonniere seinen Newsletter. Dann wirst von ihm aus erster Hand weitere spannende Anregungen und Information über seine Projekte bekommen.
Lieber Hans-Dirk, vielen herzlichen Dank für das Teilen deiner wertvollen Erfahrung, deine Anregungen aus erster Hand und vor allem für die 3 Schlüssel gegen Burnout! Ich wünsche dir vor allem mehr Unterstützung für dein Herzens-Projekt, nämlich eine Palliativstation in Odessa einzurichten. Das Nutzen seiner Angebote ist bereits ein erster Schritt dazu.
Im nächsten Interview verrät Projektmanagerin Martina Baehr die Erkenntnisse aus einer Studie zu Burnoutgefährdung von Projektmanagern und welche Hebel sich daraus ergeben um die Gefahr zu verringern.
Bis dahin eine gute Woche mit Zeit für dich zwischendurch 😉
Kathrin (Stamm)